Louis Philippe de Ségurs Memoiren

Der Chronist der Neuzeit (1753–1830). Als diplomatischer Begleiter Katharinas II. auf ihrer legendären Taurischen Reise führte er ein Tagebuch.

Die Taurische Reise

Der Chronist der Neuzeit: (1753-1830) Als diplomatischer Begleiter Katharinas II. auf ihrer legendären Taurischen Reise führte er ein Tagebuch.
Louis Philippe de Ségur

Comte Louis Philipp de Ségur, französischer Botschafter am russischen Hof in St. Petersburg, entdeckt im Winter 1786/87 in Smolensk die Schönheit des Dnjepr:

La position de cette ville est très pittoresque : la beauté du Dniepr, la rapidité de ses eaux, qui annoçent presque dès sa source la majesté qu’il déploie à Kioff, et qui s’accroît jusqu’à sa chute dans le Pont-Euxin, l’escarpement de son rivage, les bâtiments en amphithéâtre qui le décorent, les ravins inégaux que la nature a placés dans les flancs de cette montagne, les maisons, les jardins, les vergers dont ils sont ornés, offrent le point de vue le plus singulier au voyageur qui, franchissant les voȗtes hardies de ses ponts, aperçoit au-dessous de lui, au fond d’un abîme, cette ville artistiquement dessinée. (3, S. 30)

„Die Lage dieser Stadt ist sehr malerisch: Die Schönheit des Dnjepr, die Fließgeschwindigkeit seines Wassers, die fast von seiner Quelle an die Majestät ankündigt, die er bei Kioff entfaltet und die sich bis zu seinem Ergießen ins Schwarze Meer ständig steigert, die Steilheit seines Ufers, die amphitheaterartigen Gebäude, die es schmücken, die ungleichmäßigen Schluchten, die die Natur in den Flanken dieses Berges angelegt hat, die Häuser, Gärten und Obstgärten, mit denen sie geschmückt sind, bieten dem Reisenden, der die Gewölbe ihrer Brücken überquert, einen einzigartigen Anblick, wenn er unter sich, tief in einem Abgrund, diese kunstvoll gestaltete Stadt erblickt“.
(3 S. 30)

Dnjeper bei Smolensk (Postkarte 18. Jhdt.)

Als diplomatischer Begleiter Katharinas II. auf ihrer legendären Taurischen Reise, der Dnjepr-Kreuzfahrt von Kiev zur Halbinsel Krim 1787, mit der angeblich die 1783 erworbenen russischen Besitzansprüche am Schwarzen Meer abgesichert werden sollten, führte er ein Tagebuch, das 1826 unter dem Titel Ségur, Louis-Philippe de: Mémoires ou souvenirs et anecdotes (3) veröffentlicht wurde und auch heute noch von Interesse ist, weil die Notizen nicht nur Katharinas Eroberungspolitik spiegeln, sondern – aus der Sicht eines aktiven Botschafters – den weltverändernden Umbruch referieren, der in Frankreich in Gang gekommen war und in Europa zur Ablösung der Adelsherrschaft durch das Bürgertum führen wird.

Der Tross der Zarin, bestehend aus dem engeren Hofstaat, 14 Wagen, 121 Schlitten, 40 Beiwägen und 560 Pferden, die jeweils an den Stationen gewechselt werden, war am 18. Januar 1787 aufgebrochen und erreichte das Winterquartier Kiev (das Ségur Kioff nennt), am 9. Februar. Hier sollte abgewartet werden, bis der Dnjeper eisfrei sein würde; vermutlich nicht vor Mai, so dass Katharina reichlich Zeit blieb, durch den häufigen Besuch der Gottesdienste ihren russisch-orthodoxen Glauben öffentlich zu zelebrieren und mittels einer glänzenden und kostspieligen Hofhaltung ihre Macht zu entfalten.

Kiev war Mittelpunkt der Rus und ein Zentrum des orthodoxen Christentums. Dem römisch-katholischen Ségur fällt auf, dass es in den Kirchen der Stadt keine Stühle oder Bänke gibt. Gebetet und gesungen wird im Stehen und Gehen, was das Gotteshaus mit ständiger Unruhe erfüllt.

Die Christianisierungslegende, der zufolge sich im 9. Jahrhundert ein regierender Fürst Wladimir aus dem Wikingergeschlecht der Waräger, das am Dnjepr Fuß gefasst hat, dem byzantinischen Ritus zuwandte, stellt die mythische Verbindung zwischen dem Fluss und dem Christentum her, die charakteristisch für die Kiever Rus wird und niemals ganz im Anspruch des zaristischen Rußland auf die politische Nachfolge des Byzantinischen Reiches aufgeht. Um der seinerzeit praktizierten Verehrung der heidnischen Götter ein sichtbares Ende zu setzen, ließ Wladimir die hölzerne Statue des Idols Perún in den Dnjepr werfen. Ségur erzählt die Legende nach:

Les environs de Kioff sont parsemés de plusieurs ermitages et monastères, dont les situations sont agréables et varides; on y distingue entr’autres le monastère de Vouidoubets, dont le nom rappelle une antique tradition. Le prince Wladimir, disent les vieilles chroniques, ayant reçu le baptême, résolut de détruire les temples païens et les idoles ; il ordonna donc de traîner l’idole principale, qui se nommait Peroun, jusqu’au bord du Dnjepr, et de la jeter dans ce fleuve. Le peuple, attaché par son ancienne superstition au culte de cette idole, éclatant en sanglots et suivant en foule sur la rive l’idole, que le courant emportait, lui criait : Peroun, Peroun, vouidoubey, c’est-a-dire : Peroun, Peroun , sors de l’eau. Or, par l’effet du hasard, l’idole s’arrêta près du rivage, a l’endroit où l’on bâtit le monastère dont nous parlons ; ce qui depuis rendit toujours ce lieu sacré pour le peuple crédule : les moines favorisèrent cette superstition en donnant le nom de Vouidoubets a l’église et aux couvents fondés sur la plage ou l’idole Péroun s’était arrêtée (3 S.51).

In der Umgebung von Kioff gibt es mehrere Einsiedeleien und Klöster in angenehmer und abwechslungsreicher Lage, unter anderem das Kloster Vouidoubets, dessen Name an eine alte Tradition erinnert. Fürst Wladimir, so berichten die alten Chroniken, beschloss nach seiner Taufe, alle heidnischen Tempel und Götzen zu zerstören; er befahl daher, das Hauptgötzenbild, Peroun genannt, an die Ufer des Dnjepr zu schleppen und in den Fluss zu werfen. Das Volk, das durch seinen alten Aberglauben an der Verehrung dieses Götzenbildes hing, brach in Tränen aus und folgte dem Götzenbild, das die Strömung mit sich riss, mit Rufen: ‚Peroun, Peroun vouidoubey, d.h.: Peroun, Peroun, komm aus dem Wasser‘! Und so kam das Idol zufällig in der Nähe des Ufers zur Ruhe, an der Stelle, an der das Kloster, von dem wir sprechen, gebaut wurde, das seitdem der gläubigen Bevölkerung heilig war: Die Mönche förderten diesen Aberglauben, indem sie der Kirche und den Klöstern, die an dem Strand gegründet wurden, an dem das Idol von Peroun stehen geblieben war, den Namen Vouidoubets gaben. (3 S.51)

Ein Fresko von Viktor Mikhailovich Vasnetsov aus dem 19. Jahrhundert in Kiev, das die Taufe des Anführers der Kiewer Rus, des heiligen Fürsten Wladimir (reg. 980-1015 n. Chr.), darstellt.

Eine von Ségur zitierte Chronik beschreibt das Kiev des elften Jahrhunderts als eine blühende Metropole mit mindestens dreihundert Kirchen, drei jährlichen Märkten und unzähligen Bewohnern. Das war vor dem Einfall der Goldenen Horde unter Batu, dem Enkel Dschingis Khans, im Jahr 1240. Die Stadt brannte damals vollständig ab und wurde von ihren Bewohnern verlassen. Zur Zeit Ségurs ließ sich Kievs vergangener Glanz nur von seinen Ruinen ablesen:

Elle occupait encore, lorsque je la vis, un vaste terrain, mais qui n’offrait à nos regards qu’un bizarre mélange de ruines majestueuses, de misérables baraques, de quelques vastes couvents, de plusieurs églises à clochers dorés, et de nombreux palais ou bâtiments en pierre commencés, mais dont la plupart étaient loin d’être achevés.

Als ich die Stadt sah, nahm sie immer noch eine riesige Fläche ein, aber alles, was wir von ihr sehen konnten, war eine bizarre Mischung aus majestätischen Ruinen, armseligen Hütten, ein paar riesigen Klöstern, mehreren Kirchen mit goldenen Kirchtürmen und zahlreichen Palästen oder Steinbauten, von denen die meisten noch lange nicht fertig waren.

Kiewruine nach Mongolensturm
Die Ruine der Zehntenkirche nach dem Mongolensturm von 1240, gezeichnet von Abraham van Westerveld 1650.

Die Taurische Reise war weit mehr als eine Grenzinspektion des Petersburger Hofes, als die sie offiziell deklariert worden war. Sie war ein Schachzug im Jahrhunderte dauernden Kampf der Zaren gegen die Türkei mit dem Ziel, Russland den Zugang zum Schwarzen Meer zu sichern.

Die Kaiserin schiffte sich am 1. Mai 1787 vor Kiev auf ihrer Galeere ein. Ihre Flotte bestand aus vierundzwanzig Schiffen mit dreitausend Mann Besatzung. Die Ehrengäste waren auf sieben kunstvoll bemalte, kostbar ausgestattete Galeeren verteilt. Das zweite dieser Schiffe stand dem Minister und Feldherrn Fürst Grigori Alexandrowitsch Potemkin zur Verfügung, Katharinas langjährigem Favoriten, Minister und Feldherrn, dem sich der französische Gesandte Louis Philippe de Ségur auf dieser Reise besonders aufmerksam widmete, denn dieser war die einzige Person, die wusste, was Katharina vorhatte. Als Liebhaber hatte sie ihn zwar durch einen jüngeren Offizier ersetzt, aber als Berater und Organisator blieb Potemkin der erste Mann im Staat. Ségur beschreibt ihn als oft grob unhöflichen Sonderling (was womöglich auch eine Art Protest gegen die Kränkung durch den ständig anwesenden Nachfolger war).

Potemkin, der Feldherr Katharinas II., hatte sich nach 1783 im Auftrag der Zarin daran gemacht, Südrussland zu kolonisieren. Dabei ging es nicht nur um „blühende Landschaften“, sondern auch um Kriegshäfen. An den europäischen Höfen fürchtete man (zu Recht), dass Katharina vorhatte, das Osmanische Reich zu einem weiteren Krieg zu provozieren und andere europäische Großmächte darin einzubeziehen. Frankreich und England ließen daher die Reise von ihren Diplomaten begleiten.

Porträt des Fürsten Grigori Potjomkin-Tawritscheski

Potemkinsche Dörfer

Die russische Siedlungspolitik orientierte sich an der christlich-muslimischen Konfrontation, die seit der Eroberung Konstantinopels die Länder Südeuropas nicht zur Ruhe kommen ließ. Zur Ansiedlung in dem Gebiet der Dnjeprmündung waren vor allem christliche Armenier und Griechen willkommen. Mit definierten Absichten verbunden war die Umsiedlung der Saporoshjer Kosaken vom polnisch-katholischen Westufer zum russisch-orthodoxen Ostufer. Ihre Hauptaufgabe war, die Überfälle der Krim-Tataren zu verhindern.

Die Redewendung von den „Potemkinschen Dörfern“ scheint keine bloße Häme zu sein. Die Fama hat dem Fürsten später unterstellt, er habe entlang der Reiseroute die Fassaden ärmlicher Siedlungen aufputzen lassen, um der Zarin „blühende Landschaften“ vorzutäuschen. In der Tat beobachtet Ségur eine sorgfältig inszenierte „Erlebnisreise“:

Toutes les stations étaient mesurées pour éviter la plus légère lassitude ; il avait soin de ne faire arrêter la flotte qu’en face des bourgs ou villes situées dans des positions pittoresques. D’immenses troupeaux animaient les prairies ; des groupes de paysans vivifiaient les plages ; une foule innombrable de bâteaux portant des jeunes garçons et des jeunes filles, qui chantaient des airs rustiques de leur pays, nous environnaient sans cesse ; rien n’était oublié.

Alle Stationen waren darauf berechnet, die geringste Ermüdung zu vermeiden; er achtete darauf, die Flotte nur vor Dörfern oder Städten oder Städten in malerischer Lage anhalten zu lassen. Riesige Rinderherden bevölkerten die Wiesen; Gruppen von Bauern belebten die Strände; eine zahllose Schar von Booten mit jungen Jungen und Mädchen, die die ländlichen Melodien ihrer Heimat sangen, umgab uns ununterbrochen; nichts wurde vergessen.

Souvent, on voyait des corps légers de Cosaques manœuvrer dans les plaines que baigne le Dniepr. Les villes, les villages, les maisons de campagne, et quelquefois de rustiques cabanes, étaient tellement ornés et déguisés par des arcs de triomphe, par des guirlandes de fleurs, par d’élégantes décorations d’architecture, que leur aspect complétait l’illusion au point de les transformer à nos yeux en cités superbes, en palais soudainement construits, en jardins magiquement créés.

Oft sah man leichte Kosakeneinheiten in den Ebenen, die vom Dnjeper umspült wurden, manövrieren. Städte, Dörfer, Landhäuser und manchmal auch einfache Hütten waren mit Triumphbögen, Blumengirlanden und eleganten architektonischen Verzierungen so geschmückt und verkleidet, dass ihr Anblick die Illusion so weit vervollständigte, dass vor unseren Augen prächtige Städte, plötzlich errichtete Paläste und durch Zauberhand geschaffenen Gärten entstanden (3, S. 112).

Das Sumpfgebiet am Unterlauf des Dnjepr, das nach Osten in die Steppen überging, war lange Zeit Niemandsland gewesen, Zuflucht von Dropouts jeder Herkunft (entlaufenen Leibeigenen, desertierten Soldaten), die sich in den Reitergemeinschaften der Kosaken organisierten und die Tartaren bekämpften. Da sie ihre Anführer in freier Wahl bestimmten, galten sie als Pioniere moderner Gesellschaftsformen, obwohl ihr christlicher Glaube sie nicht daran hinderte, aufs Grausamste zu rauben und zu morden. Die Zugehörigkeit zum orthodoxen Christentum war für die Aufnahme in die Reihen der Kosaken obligatorisch. Das schützte die Rus vor dem Islam. Sie bildeten zeitweise einen eigenen Stand mit unabhängiger Rechtsprechung und Obrigkeit und führten ein semilegales, räuberisches Dasein, spielten aber auch eine wichtige Rolle bei der Verteidigung der russischen südwestlichen Grenze gegen die Plünderungszüge der Krimtataren, wofür sie Lebensmittel und Geld erhielten. Ökonomisch blieben sie so vom Staat abhängig, ohne ihm dienstpflichtig zu sein. Das Hetmanat repräsentierte einen Schattenstaat mit eigenen Regeln und konnte schon mangels politischer Selbstdefinition keine soziale Revolution produzieren. Loyalität beinhaltete den strikten Gehorsam gegenüber Befehlen.

Ein Angriff der Saporoger Kosaken in der Steppe (Gemälde von Franz Roubaud 1856–1928).

Die Kosaken der südrussischen Steppen waren schnelle Reiter, die „Saporoshjer“ der Inseln im Dnjepr-Delta erfahrene Schiffer, deren sich Potemkin bediente, um Katharinas Flotte havariefrei bis zum Schwarzen Meer zu steuern.

Den wasserreichen mittleren Teil des Dnjepr bewältigten die Schiffe ohne Schwierigkeiten. Die Entfernung zwischen Kiev und Kaydak schätzt der Berichterstatter Ségur auf vierhundertsechsundvierzig russische Werst, etwas unter 500 km, dann musste die Schiffsgesellschaft für den restlichen Weg bis Cherson auf Kutschen umsteigen. Bei Kaydak fingen die Sandbänke und Stromschnellen an:

Son lit, depuis Kaydak, est embarrassé par treize cataractes qui occupent un espace de soixante verstes. Plusieurs de ces rochers sont couverts d’eau, d’autres s’élèvent à une assez grande hauteur au-dessus de sa surface. Ce fleuve est rapide ; plusieurs bancs de sable y rendent quelquefois la navigation assez dangereuse (3/S.121).

Sein Bett ist ab Kaydak von drei Katarakten durchzogen, die einen Raum von sechzig Metern einnehmen. Viele dieser Felsen sind mit Wasser bedeckt; andere erheben sich ziemlich hoch über seine Oberfläche. Dieser Fluss ist sehr schnell; viele Sandbänke machen die Schiffahrt sehr gefährlich.

In Kaydak sollte das heimliche Treffen zwischen Josef II. und Katharina stattfinden. Der österreichische Kaiser, incognito unterwegs als Graf Falkenstein, war schon am Vortag in Cherson angekommen. Verabredet war, dass er Katharina in Kaydak auf ihrer Galeere aufsuchen würde. Die Flotte war dann allerdings vor den Stromschnellen steckengeblieben. Katharina, von Potemkin informiert, bestieg eine Kutsche und fuhr dem Kaiser entgegen. Sie trafen sich in der Nähe eines einsam gelegenen Kosakenhauses, sprachen dort einige Stunden miteinander und fuhren nach Kaydak zurück, wo die Diplomaten sich ihnen wieder anschlossen. Informiert über den Inhalt des Gesprächs von Zarin und Kaiser wurden die Mitreisenden offenbar nicht.

Begegnung Kaiser Josephs II. (1741–1790) und Kaiserin Katharinas II. (1729–1796) bei Kodak am Dnjepr, 18. Mai 1787. Links wohl der k. k. Gesandte in Sankt Petersburg Johann Ludwig von Cobenzl (1753–1809) und der k. k. Feldmarschallleutnant Charles-Joseph de Ligne (1735–1814), rechts Katharinas Kammerfräulein Alexandra Branicka geborene von Engelhardt (1754–1838) und Katharinas Vertrauter Grigori Alexandrowitsch Potjomkin (1739–1791). (Gemälde von Hieronymus Löschenkohl, 1753–1807)

Die Reise wurde ohne Zwischenfälle fortgesetzt.

Nos embarcations ont fort heureusement franchi ce pas périlleux avec la rapidité d’une flèche, mais également avec des mouvements violents qui nous faisaient croire qu’elles étaient sur le point d’être brisées ou remplies par les vagues et submergées ; le canoë en particulier disparaissait presque à chaque instant.

Unsere Boote überquerten diesen gefährlichen Abschnitt glücklicherweise mit der Geschwindigkeit eines Pfeils, aber auch mit heftigen Bewegungen, die uns glauben ließen, dass sie kurz davor waren, von den Wellen zerbrochen oder überschwemmt und versenkt zu werden; insbesondere das Kanu verschwand fast jeden Moment.

Der Brückenschlag in die Zukunft ist ein städtebauliches Projekt. Mit der Gründung der Stadt Ekaterinoslaff (Dnepro) an der Schnittstelle von Dnjeprtal und Steppe schafft die Zarin einen gemeinsamen Mittelpunkt für die Regionen Rus und Südrussland. Am 20. Mai wurden Zelte zwei Meilen entfernt von dem Ort aufgeschlagen, wo der Grundstein gelegt werden sollte. Und wieder spielte die Landschaft eine Rolle in einer historisch bedeutsamen Entscheidung. Es ist ein zentraler Aussichtspunkt auf den Fluss, der zum Zentrum der neuen Siedlung gewählt wird.

On entendit la messe dans la tente impériale, et leurs majestés posèrent, en présence de l’archevêque, la première pierre de l’église de cette nouvelle capitale, dont la position est extrêmement riante. Elle est placée sur une hauteur d’où l’on aperçoit les longues sinuosités du BORYSTHENES, et les iles boisées qui embellissent cette partie de son cours (3 S. 138).

Im kaiserlichen Zelt wurde eine Messe abgehalten. In Anwesenheit des Erzbischofs wurde dann der erste Stein zur Kirche dieses neuen Zentrums gelegt, deren Lage äußerst reizvoll ist. Sie steht auf einer Anhöhe, von der aus man die langen Linien des Borysthenes und die bewaldeten Inseln im Fluss erkennen kann (3 S. 135).

Bakhchisaray auf der Krim
Bakrhchisaray. Der Palast des Khans auf der Krim.

Auf der Krim war ein Khanat der von den Russen „Tataren“ genannten Mongolen der „Goldenen Horde“ verblieben, die im Schutz des Osmanischen Reiches standen und von der Halbinsel ausgehend Südrußland mit ihren Überfällen drangsalierten. Erst nach dem Sechsten russisch-türkischen Krieg (1768 bis 1774) änderten sich die Machtverhältnisse: Das Krim-Khanat befreite sich aus seiner Abhängigkeit vom türkischen Sultan, was Russland in die Hände spielte, denn nun entfiel der Schutz der Großmacht. 1783 konnte Katharina die Krim annektieren, nachdem sie einen Krieg gegen die Türkei gewonnen hatte. Seither ist die Halbinsel russisch. Das war vier Jahre vor der Taurischen Reise und sechs Jahre vor der Französischen Revolution.